Zur wirtschaftlichen Urzelle

Eine Kontroverse

Quelle
Rudolf Steiner Gesamtausgabe
GA 337b, Soziale Ideen – Soziale Wirklichkeit – Soziale Praxis, S.149-158
Fragebeantwortung anläßlich des Kurses «Anthroposophie und Fachwissenschaften»

Als Grundlage des Abends dienen die beiden Vorträge von Arnold Ith vom 4. und 5. Oktober 1920 über «Bankwesen und Preisgestaltung in ihrer heutigen und zukünftigen Bedeutung für das Wirtschaftswesen». Es wird die Diskussion eröffnet:

Rudolf Toepel geht von zwei Stellen in den «Kernpunkten» aus. Er äußert sich zum Problem der Bedürfnisermittlung und, damit verbunden, zur Frage der Preisgestaltung.

Roman Boos: Ich muß die Auffassung Dr. Toepels zurückweisen; die zwei Stellen aus den «Kernpunkten» sind aus dem Zusammenhang gerissen. Der Darstellung von Dr. Toepel fehlt die anthroposophische Grundlage. So kommt man nicht weiter. Der Staat kann nicht Verwaltungsmaßnahmen für die Wirtschaft vorschreiben; man kommt im Wirtschaftsleben nicht weiter, wenn man nicht in andere Gedanken hineinkommt. Gegen ein solches Wirtschaftsleben, wo durch Statistiken die Bedürfnisse der Menschen festgestellt werden, rebellieren die Menschen, die in solchem Wirtschaftsleben drinnen leben müssen.

Und da ist noch an eine andere Gefahr zu denken. Es könnten doch vielleicht übermorgen neue Bedürfnisse entstehen, die man heute noch nicht kennt. Überall kommt es darauf an, daß, wie es von Dr. Steiner immer betont worden ist, nicht hineinregiert werde in die Bedürfnisse als solche. Der Staat hat nicht hineinzureden, und eine Statistik hat auch nicht hineinzureden in die Bedürfnisfrage als solche, sonst ist man immer noch in der alten Denkweise drinnen. Gerade diese alte Denkweise scheint mir auch zum Teil in den Ausführungen von Direktor Ith zu leben.

Ich möchte deshalb noch einmal ausdrücklich auf den Grundgedanken Dr. Steiners von der wirtschaftlichen Urzelle hinweisen: Der gelöste Preis soll die Möglichkeit geben, daß derjenige, der ein bestimmtes wirtschaftliches Produkt erzeugt hat, nachher in die Lage versetzt wird, das gleiche

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wieder zu erzeugen. Die Preispolitik als solche ist etwas, in dem man nicht einfach vom Staate her herumregulieren darf, sonst zerstört man das wirtschaftliche Leben absolut.

Werner Zimmermann spricht als Vertreter der Freigeld- und Freilandtheorie von Silvio Gesell.

Roman Boos unterbricht den Redner: Wichtig ist nicht das Ziel, sondern der Anfang. Und da geht es darum, Assoziationen zu schaffen; wir müssen Assoziationen schaffen.

Arnold Ith: Es gibt verschiedene Punkte, über die ich gerne noch größere Klarheit hätte und über die noch eingehender diskutiert werden müßte. Erstens: Welche Rolle spielt der Handel im dreigegliederten sozialen Organismus? Zweitens: Wie entsteht Kapital im dreigegliederten sozialen Organismus? Drittens: Können Fabriken und Immobilien auch verkauft werden? Ist nach Einführung der Dreigliederung Privatkapital überhaupt noch möglich? Viertens: Gibt es im dreigegliederten sozialen Organismus überhaupt noch Geld? Geld ist ja dann bloß noch eine Anweisung auf Waren. Und nun noch zu dem, was die Herren Vorredner gesagt haben. Was vorher Herr Zimmermann über die Freigeldtheorie gesprochen kann, kann überhaupt nicht eingesehen und nachvollzogen werden. Auch gegenüber den Ausführungen von Dr. Toepel müssen einige Einwände vorgebracht werden; ebenso gegenüber Dr. Boos und seiner Darstellung der wirtschaftlichen Urzelle. Und in diesem Zusammenhang auf den Einwand von Dr. Boos gegenüber meinen Ausführungen zurückkommend, möchte ich fragen: Inwiefern soll das auf die Ausführungen bezug haben, die von mir hier gemacht wurden, und inwiefern soll darin etwas als unrichtig erscheinen? Das als konkrete Frage.

Roman Boos: Ich möchte eine Gegenfrage stellen: Was für eine Rolle messen Sie dem Staat zu für die Preisfestsetzung?

Arnold Ith: Ich wollte mit dieser Gliederung des Preises nur dartun, wie ein Teil des Preises auf die Arbeiter kommt und der andere auf die Produzenten verteilt ist. Insofern wird da der Staat mitzusprechen haben bezüglich der Preise, indem er eben festsetzt, was das Bedürfnis des einzelnen ist für seine Lebenshaltung.

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Zwischenruf: Sinnlos.

Roman Boos: Ich habe eben eigentlich gerade diesen Punkt herausgehört und mich dadurch veranlaßt gesehen, einen Einwand zu erheben. Ich war bisher immer der Auffassung, daß im dreigegliederten sozialen Organismus der Staat nur bezüglich der Art der Arbeit und der Zeit etwas zu bestimmen hat, aber nicht irgendwie zu bestimmen hat einen Preis oder festzusetzen hat die Bedürfnisse; der Staat soll nur von außen die Tatsachen schaffen, mit denen das Wirtschaftleben als mit gegebenen Tatsachen zu rechnen hat.

Arnold Ith: Es handelt sich nicht um eine Festsetzung der nominellen Preishöhe durch den Staat, sondern um eine verhältnismäßige, reale Verteilung, um eine prozentuale Zuteilung. Ich darf vielleicht Herrn Dr. Steiner bitten bei dieser Frage.

Rudolf Steiner:

Meine sehr verehrten Anwesenden! Ich würde ja sehr gern über einzelne Dinge, die hier berührt worden sind, sprechen. Aber in Kürze darüber zu sprechen, ist kaum möglich und besonders dann schwer möglich, wenn vorher schon eine Anzahl von Menschen mit ihren Köpfen aneinander geraten sind. Da komplizieren sich gewöhnlich auch diejenigen Dinge, die sonst einfach sind. Ich möchte deshalb nur ganz weniges bemerken, das aber einige Dinge beantwortet oder wenigstens versucht, sie in die richtige Richtung zu bringen. Ich möchte darauf hinweisen, daß es im wirtschaftlichen Leben wirklich darauf ankommt, wirtschaftlich zu denken. Wirtschaftlich denken heißt aber, Vorstellungen zu haben von der Produktion und Konsumtion, die in ihrem Verlaufe bestimmte Wirkungen nach der einen oder anderen Seite haben; und mit unserem physischen Wohl und Wehe stehen wir eben in diesem Wirtschaftsprozesse darinnen. Mit Lieblingsmeinungen läßt sich dabei gar nichts anfangen. Wer zum Beispiel meint, daß man einfach durch eine Reduktion [oder Expansion] der Geldmenge, je nachdem, ob die Preise steigen oder sinken, irgend etwas erreichen kann, der zeigt, daß er wenig reale Vorstellungen vom Wirtschaftsprozesse sich gemacht hat. Mit einer solchen Festsetzung des Geldwertes, mit

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einer Reduktion gewissermaßen der Geldmenge oder auch mit einer ganz bestimmten Expansion oder dergleichen, ist ja gar nichts getan. Denn in dem Augenblicke, wenn nicht mehr mit Geld spekuliert werden kann, spekuliert man in Waren – sehen Sie, jetzt erst kommen wir mit den Gedanken in die Realität hinein, man muß Realitäten anschauen können –, und da ist durchaus nicht notwendig, die Geldmenge zu verändern, sondern es kann sehr leicht [bewirkt] werden durch allerlei Machinationen, daß die Preise für eine bestimmte Art von Produkten sinken oder steigen, während andere Produkte durchaus keine Veranlassung zu einem solchen Sinken und Steigen zu geben brauchen. Überhaupt, der ganze Gedanke von der Indexierung des Geldes – abgesehen davon, daß ja, solange es in irgendeinem maßgebenden Lande Goldwährung gibt, davon keine Rede sein kann –, der ganze Gedanke ist ein rein utopistischer. Ich will das nur andeuten, es müßte ausführlich darüber gesprochen werden, aber der ganze Gesellsche Gedanke ist nichts als ein Gedanke, der herausgeboren ist aus einer vollständigen Unkenntnis des Wirtschaftslebens als solchem. Wenn man wirklich ins Wirtschaftsleben eingreifen will, daß dabei etwas herauskommt, so handelt es sich darum, daß man nicht beim Gelde eingreift, sondern daß man in die Konsumtion und Produktion in lebendiger Weise eingreift. Da kommt es darauf an, daß Assoziationen sich bilden, welche die Möglichkeit haben, auf den Wirtschaftsprozeß einen wirklichen Effekt auszuüben. Natürlich, wenn sich Assoziationen da oder dort einmal bilden, dann werden sie zwar im Prinzip richtig sein können, aber sie werden einen günstigen Einfluß gar nicht ausüben können; einen günstigen Einfluß können sie erst dann ausüben, wenn das assoziative Prinzip durch die Dreigliederung des sozialen Organismus wirklich durchgreifend wirken kann. Aber man fragt fortwährend: Wie bilden sich Assoziationen?

Meine sehr verehrten Anwesenden, solange man sich noch streitet darüber, ob nun auf der einen Seite die Produzenten sich zusammenschließen sollen zu Assoziationen und auf der anderen Seite die Konsumenten zu Genossenschaften und da gegenseitig irgend etwas ausstipulieren, solange ist der Assoziationsgedanke

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auch nicht im entferntesten verwirklicht. Es handelt sich natürlich beim Assoziationsgedanken durchaus nicht darum, daß nun irgendwelche Kommissionen sich zusammensetzen und Assoziationen und dergleichen bilden, sondern darum, daß diese Assoziationen aus dem Wirtschaftsleben selber sich herausbilden. Ich möchte zwei Beispiele geben, die ich schon öfter gegeben habe.

Einige Zeit vor dem Kriege, da war ein Mitglied von uns, der war eine Art Bäcker; er backte Brot, produzierte also Brot, mit allem natürlich, was dahintersteht. Nun, man kam darauf, da irgend etwas zu machen, was zunächst einmal eine Art Musterbeispiel sein könnte. Wir hatten die Anthroposophische Gesellschaft, Anthroposophen essen auch Brot, sie waren schon vereinigt, und nichts war leichter, als daß man den Brotproduzenten mit den Anthroposophen zusammenspannte. Er hatte dadurch Konsumenten, und schon war eine Assoziation fertig. Natürlich, wenn eine solche Sache für sich allein steht, kann sie alle möglichen Mängel haben. In diesem Falle hatte sie Mängel dadurch, daß der Produzent auch Mucken und Schrullen hatte und dadurch das Ganze auf eine schiefe Ebene kam. Aber das macht es letzten Endes nicht aus. Eine Assoziation entsteht von selber aus einer organischen Verbindung der Konsumenten mit den Produzenten, wobei natürlich der Produzent in der Regel die Initiative ergreifen muß –, und dann wird sich diese Assoziation schon ganz von selbst bewähren.

Und dann gebe ich öfters ein Beispiel einer anderen Art von Arbeit, diejenige, die durch den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag in Berlin geschaffen ist. Sie besteht darin, daß dieser Verlag nicht so arbeitet, wie andere Verlage arbeiten. Wie arbeiten die anderen Verlage? Die arbeiten, indem sie mit möglichst vielen Autoren, guten und schlechten, Verträge über Bücher abschließen. Nicht wahr, dann gehen sie daran, diese Bücher zu drucken. Wenn aber Bücher gedruckt werden, muß Papier dazu da sein, es müssen Setzer beschäftigt werden und so weiter. Nun probieren Sie einmal sich vorzustellen, wieviel Bücher in jedem Jahr gedruckt werden – sagen wir einmal bloß in dem Terrain Deutschland –, die nicht verkauft werden, für die es also überhaupt keine Konsumenten

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gibt. Rechnen Sie aus, rechnen Sie bloß einmal zusammen, wieviel Lyrik in Deutschland gedruckt wird und wieviel Lyrik gekauft wird, da haben Sie dann eine Vorstellung davon, wieviel Menschenarbeit aufgewendet werden muß zur Papierfabrikation, die in den Wind verbraucht wird, wieviele Setzer arbeiten für die entsprechenden Bücher und so weiter – lauter Arbeit, die für nichts geleistet wird. Das ist dasjenige, auf was es ankommt: Wir müssen ins Wirtschaftsleben hineinkommen, indem wir wirtschaftlich denken, das heißt, indem wir in einer solchen Richtung denken, durch die wir die unnötige Arbeit, die verschwendete Arbeit vermeiden. Das ist bei einer Assoziation, wie sie bestand und besteht zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und dem Philosophisch-Anthroposophischen Verlag, dadurch nicht möglich, daß der Philosophisch-Anthroposophische Verlag sozusagen kein einziges Buch druckt, das nicht verkauft wird. Da sind Konsumenten da. Warum? Weil gearbeitet wird dafür, daß die Konsumenten da sind? Im Gegenteil, der Verlag hat gar nicht die nötige Möglichkeit, für den Konsum genügend zu produzieren. Da wird aber wenigstens nicht Arbeit verschwendet. Wir lassen kein Papier erzeugen, in dem verschwendete Arbeit steckt; wir lassen keine Setzer beschäftigt sein, die für nichts arbeiten und so weiter. Und genau dasselbe, was Sie in diesen zwei Beispielen haben sehen können, das können Sie auf allen möglichen Gebieten machen. Darum handelt es sich, daß die Assoziation richtig gedacht wird. Wird sie richtig gedacht, so wird vor allen Dingen die unnötige Arbeit vermieden. Und das ist es, worauf es ankommt. Es handelt sich darum, daß durch reale Maßnahmen ein richtiges Verhältnis geschaffen wird zwischen der Produktion und dem Konsum auf allen möglichen Gebieten. Dann kommt diese Urzelle des Wirtschaftslebens zustande, dann kommt ein Preis zustande, der angemessen sein wird dem ganzen Leben, so daß derjenige, der irgend etwas produziert, irgendein Produkt, sagen wir ein Paar Stiefel, daß der dafür dann soviel bekommt, als er nötig hat bei seinen Bedürfnissen, bis er ein ebenso gutes Paar Stiefel wieder fabriziert haben wird. Es kommt nicht darauf an, daß wir irgendwie

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den Preis stipulieren, daß wir Statistiken aufstellen und dergleichen, sondern es kommt darauf an, daß wir so arbeiten, daß der Konsum der Produktion angemessen ist. Und das kann nur dadurch geschehen, daß der Konsum die Produktion bestimmt. Wenn Beispiele angeführt werden, so sieht man das handgreiflich. Darauf kommt es an, daß man nicht irgendwie herumschwafelt in bezug auf den Bedarf und die Bedürfnisse und dergleichen, sondern daß man drinnensteht in den Bedürfnissen. Es kommt darauf an, daß man mit dem [Konsum] auf der einen Seite verwandt ist und auf der andern Seite in die Produktion hineinzugreifen vermag so, daß man sie unmittelbar hinüberleitet zu der Befriedigung der Bedürfnisse. Darauf kommt es nicht an, daß man soundso viele Zahlen schafft und sie von einer Stelle zur andern Stelle schickt, sondern darauf kommt es an, daß man lebendige Menschen in der Assoziation drinnen hat, die überschauen, wie sie zu vermitteln haben zwischen Konsumtion und Produktion.

Wir haben gerade dadurch eine Schädigung unseres Wirtschaftslebens in einer so furchtbaren Weise herbeigeführt, daß wir alles abgeladen haben auf den Wertmesser des Geldes. Das Geld, das hat aber nur denjenigen Wert, den es hat, je nachdem der Wirtschaftsprozeß so oder so geartet ist. Selbstverständlich können Sie nicht sogleich bei dem Allerabstraktesten, bei dem Geld, anfangen und dabei irgendwelche Reformen einführen. Sie brauchen überhaupt zunächst gar nicht darüber zu diskutieren, ob das Geld nun eine Anweisung für Waren sein soll oder irgend etwas anderes. Ich möchte nämlich wissen, was das Geld, das ich in meinem Portemonnaie habe, anderes ist als eine Anweisung für Waren. Und wenn ich es nun nicht hätte im Portemonnaie, so könnte die Zahlung für eine Arbeit, die ich geleistet habe, auch irgendwo in einem Buche stehen; man könnte dort immer nachschauen meinetwillen; statt daß es aber nur dort drinnensteht, könnte man es mir auch herausschreiben. Diese Dinge alle muß man nicht sekundär und partiär denken, sondern primär, und man muß sich klar sein darüber, daß das Geld von selbst im Wirtschaftsleben zu einer Art wandelnder Buchhaltung wird, wenn man wirtschaftlich denkt -

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nicht theoretisch, sondern wirtschaftlich denkt –, das heißt, wenn man dynamisch die wirtschaftlichen Verhältnisse gegenseitig in richtige Beziehungen zu bringen vermag.

Zwischenruf Sehr richtig!

Das ist es. Aber dieses praktische Denken, das gerade durch die «Kernpunkte» einmal hineingeworfen werden sollte in die Kulturentwicklung der Gegenwart, dieses praktische Denken, das liegt ja furchtbar fern den heutigen Menschen, sie kommen gleich wiederum ins Theoretisieren hinein, sie haben gleich wiederum alles mögliche zu schematisieren und theoretisieren, während es doch darauf ankommt, an die Menschen so heranzukommen, daß sie wiederum mit vollem Anteil in dem Leben drinnenstehen, also im Wirtschaftsleben – dann werden schon die richtigen Verhältnisse in diesem Wirtschaftsleben sich entwickeln können. Wir konnten natürlich nicht andere Assoziationen gründen, weil man uns andere nicht hätte gründen lassen als die mit dem Philosophisch-Anthroposophischen Verlag. Aber bitte überlegen Sie einmal in einer Stunde ruhigen Nachdenkens, meine sehr verehrten Anwesenden, was das nun bedeutet als Effekt für das ganze Wirtschaftsleben, wenn es irgend etwas gibt, welches verhindert, daß unnötige Arbeit geleistet wird – das wirkt ja in das ganze Wirtschaftsleben hinein. Die Setzer, die wir erspart haben dadurch, daß wir sie nicht unnötig beschäftigt haben, die haben ja andere Arbeit verrichtet in der Zeit, und die Leute, die in der Papierfabrikation gearbeitet haben, haben andere Arbeiten verrichtet in der Zeit. Da steht man ja im ganzen Wirtschaftsprozeß drinnen. Man darf nicht so kurz denken, daß man nur an ein Unternehmen denkt, sondern man muß sich klar sein, welchen Effekt es hat im ganzen Wirtschaftsleben. Darauf kommt es an.

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß man versuchen muß, wirklich wirtschaftlich zu denken. Und wenn Fragen aufgeworfen werden, wie es mit den Wirtschaftsassoziationen wird, so ist es so, daß jeder an seinem Platze, an dem er steht, genügend Veranlassung

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finden würde, wenn er wollte, aus der Sache heraus solche Wirtschaftsassoziationen zu bilden. Natürlich kann man nicht zu mir oder zu Dr. Boos oder zu anderen sagen: Wie soll ich Assoziationen machen? – und dann voraussetzen, daß ein Imperium geschaffen werden solle für Assoziationsbildung.

Darauf kommt es nicht an, sondern darauf, endlich einmal zu versuchen nachzudenken und sachlich zu überlegen – darauf kommt es an. Gewiß, es schlägt einem manchmal noch die alte Denkweise so ein bißchen in den Nacken hinein; und wenn auch Herr Ith die Dinge zweifellos außerordentlich gut verstanden hat und sie im wesentlichen auch ganz gut vorgetragen hat, so mußten wir zum Beispiel doch hören – es ist ja nur eine Entgleisung gewesen, aber sie ist immerhin dagewesen –, daß er unter seinen Verrechnungskosten auch noch Lohn hatte. Lohn gibt es ja natürlich nicht, wenn man im Sinne der Dreigliederung Bilanzen aufstellt – da kann nicht die Rede sein von Lohn, auch nicht von irgendeiner Bewertung der Rohprodukte; denn es handelt sich bloß darum, daß man [die Differenz] dessen, was Arbeitsprodukte sind und was Rohprodukte sind, noch irgendwie in Rechnung setzen kann und dergleichen. Also nicht wahr, manchmal schlägt noch die alte Denkgewohnheit durch; das macht aber nichts, wenn man nur den Willen hat, eben in das positive Wirtschaftsleben hineinzudenken, dann kommt schon das Richtige heraus.

Es ist ja auch selbstverständlich, daß solche Unternehmungen wie Futurum oder der Kommende Tag nicht gleich in allen Stücken gewissermaßen nach den «Kernpunkten» errichtet werden können; man steckt ja mitten im anderen Wirtschaftsleben drinnen, das schlägt seine Wellen überall herein. Aber indem solche Unternehmungen errichtet werden, in denen überwunden wird auf der einen Seite das einseitige Bankprinzip, auf der andern Seite das einseitige kaufmännische oder industrielle Prinzip – das heißt auf der einen Seite das Prinzip des Verleihens von Geld von seiten der Bank, auf der anderen Seite das Prinzip des Leihens von der Bank –, also das Auseinandergehen von Bank und industriellem, kaufmännischem Unternehmen, werden diese zu einem gemacht, und dadurch wird

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der Weg beschritten zu dem assoziativen Prinzip. Es ist zunächst nur eine Beschreitung des Weges. Das wirkliche assoziative Prinzip würde erreicht werden, wenn Sie es im Realen so durchführen könnten, wie ich es an den zwei Beispielen gezeigt habe

[GA 337b, Seite 158, Dornach, 05.10.1921]