Die Konservativen und die europäische Leitkultur

13.01.2001

Die Europäische Volkspartei (EVP), ein Zusammenschluss 23 konservativer und christdemokratischer Parteien aus den EU-Ländern, sprach sich auf einem Kongress in Berlin von 10.-13.01.2001 für den Nizzavertrag aus. In dem wahrlich konservativen Entwurf für eine Abschluss-Erklärung des EVP-Kongresses hieß es: "Die Herausforderung besteht darin, die wahren einzigartigen Werte in unserer Zivilisation zu bewahren, während wir gleichzeitig in eine radikal andere Welt aufbrechen". Indirekt spricht sich die Vereinigung in dem Abschlussdokument "Eine Union gemeinsamer Werte" auch gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus.

Es ist in der Tat eine Herausforderung, geistiges Neuland zu betreten, wenn man, wie die Konservativen, die soziale und geistige Ordnung zu konservieren wünscht. Die demokratischen Werte, die die Konservativen als verbindliche Normen hochhängen wollen, mußten ihnen einst, vor nur ein paar Generationen, abgerungen werden.

Historisch endete die Bestrebung, Geist und soziale Ordnung zu konservieren, im Nationalismus. Ein solches Phänomen dürfen die Konservativen, mit einer europäischen Leitkultur, nicht noch einmal heraufbeschwören. Europa würde eine historische Mission verfehlen, wenn die Türkei nicht ein integraler Bestandteil der EU wird. Europa kann den Osten nicht mit Ideen überzeugen, weil übersehen wird, dass der Orient auf theokratische Weise voll von Ideen ist. Europa kann nur mit Ideen von einem emanzipierten Gesellschaftssystem (darin sind die demokratischen Ideen und vorallem die Dreigliederung enthalten) überzeugen, wenn es die Emanzipation im Wirtschaftsleben ökonomisch erfolgreich vorlebt und die "orientalischen" Länder ins Wirtschaftssystem integriert und nicht ausschließt.

Die Türkei sollte deshalb nicht durch zu harte Beitrittsverhandlungsbedingungen, und schon gar nicht durch Wertegrenzen von der EU ausgeschlossen werden.