Afrikanische Entwicklungspolitik und ethnische Konflikte

31.05.2002

Vor der erneuten Gefahr politisch geschürter, blutiger Konflikte im Zuge der bevorstehenden Wahlen in Kenia hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gewarnt. Erkenntnisse aus vorangegangenen Wahlkämpfen, und die zunehmende Verbreitung von Kleinwaffen in dem ostafrikanischen Land stellten eine große Bedrohung dar, heißt es in einem am Freitag in Nairobi vorgestellten Bericht. Darin sagen mehrere Zeugen aus, dass hochrangige Regierungspolitiker die Drahtzieher sogenannter ethnischen Konflikte vor den Präsidentschaftswahlen in Kenia im Jahr 1992 waren. "Die Verbreitung von Kleinwaffen und die Manipulation ethnischer Spannungen sind ein explosives Gemisch", sagte die Autorin des Berichts, Lisa Misol.

Seit dem Kampf um die Einführung des Mehrparteiensystems in der ehemaligen britischen Kolonie im Jahr 1991 sind Hunderte von Menschen in politisch geschürten Kämpfen ums Leben gekommen, über 400 000 wurden vertrieben. 1997 starben dabei in der kenianischen Küstenregion weit über hundert Menschen; 100 000 wurden in die Flucht getrieben. Die Ergebnisse eines Untersuchungskomitees über die Rolle von Politikern bei den Unruhen hält Präsident Daniel arap Moi seit 1999 unter Verschluss.

Eines der Hauptprobleme bei der Unterentwicklung auf dem afrikanischen Kontinent ist die Orientierung an Blutszugehörigkeit im Rechtsleben. Der Nepotismus, die Klanwirtschaft und die gezielte Bevorzugung von Stammeszugehörigen steht einer Orientierung an Gemeinwohl im Wege und ist eine Bremse einer effektiven Entwicklung.

Aber auch wenn Kenia, und andere afrikanische Länder, hier bei der Überwindung der Bluts- und Stammesorientierung viel für die Demokratisierung zu lernen hat, stehen wir den Afrikanern kaum nach in der Orientierung an Blutsbanden im Rechtsleben. Der nicht ganz überwundene Nationalismus ist in nicht geringerem Maße Blutsdenken. Es ist uns erfolgreich gelungen, unsere "Nation" mit unserer Familie zu identifizieren und wir haben hier den Blutegoismus genutzt, um Gemeindegesinnung nach innen und Chauvinismus nach außen zu erzeugen. In unserem Staatsleben haben wir es so weitgehend erreicht, unsere Mitbürger als Gleiche zu betrachten, aber in diesem Sinne sind wir noch lange keine Weltbürger, sondern denken noch gruppenegoistisch. Beispiele würden hier ausufern.

Und noch immer trägt unser Rechtssystem dem Blutsdenken durch die Erbgesetzgebung Rechnung. Dies ist genauso eine Bremse für unsere Entwicklung, wie die des fehlenden afrikanischen Gemeinwohldenkens. Immer noch wird bei uns großes Unheil angerichtet, weil das Produktionskapital nicht der Fähigkeit, sondern Blut und Genen nach vererbt wird. Hier ist Europa noch ein Entwicklungsland.