Acht Jahre danach: Otto Schily verlangt Assimilierung

28.06.2002

In der "Süddeutschen Zeitung" vor 27.06.2002 erklärte Schily in einem Interview, dass die beste Form von Integration "Assimilierung" sei: Ausländer sollten sich in die deutsche Kultur und Sprache hineinleben. "Dabei verändern sich dann natürlich mehr oder weniger sachte auch die hiesigen Lebensverhältnisse." Der Minister sprach sich außerdem gegen eine Förderung der Muttersprache und gegen die Aufnahme des Minderheitenschutzes in die Verfassung aus.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin, hat die Äußerungen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zur "Assimilierung" von Ausländern scharf kritisiert. In einer am Freitag verbreiteten Stellungnahme warf ihm Keskin die "Germanisierung" kultureller Minderheiten vor. "Schilys Vorstellungen widersprechen nicht nur gänzlich den bisherigen Positionen der SPD über die Integrationspolitik, sie übertreffen vielmehr die Diskussion mancher Unionspolitiker über die so genannte "Leitkultur"." Auch die Äußerung Schilys, "die Türken müssen hineinwachsen in unseren Kulturraum. Die Muttersprache muss Deutsch sein oder werden", kritisierte Keskin scharf. "Die "Anähnlichung", von der Schily spricht, darf nicht die Beseitigung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt bedeuten."

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering distanzierte sich bereits am 27.06.2002 von Schily. Er warnte in der Diskussion vor problematischen Begriffen. Bei der Eingliederung von Migranten solle nur der Begriff "Integration" verwendet werden.

Das Wort Assimilierung sei zwar ungeheuerlich, aber Schily meint in der Sache nichts anderes, als das, was er und seine Politkollegen bislang unter "Integration" verstanden. In dieser Feststellung ist aber keine Verteidigung von Schily enthalten, sondern eine Anklage der bisherigen "Integrationspolitik". Mit dem Wort Assimilierung hat Schily die deutsche Innenpolitik auf den Punkt gebracht. Multi-Kulti ist ins Abseits geraten, nicht nur mit Rücksicht auf dumpfe Intoleranz von einer Gruppe potentieller Wähler, sondern vorallem weil es Konsens geworden ist, dass Ausländer eine marginalisierte und sozialökonomisch belastende Gruppe sind (neuerdings mußten die Ausländer für die Nationalschmach beim PISA-Test herhalten) - ein Problem das für Politiker nur durch Germanisierung zu lösen ist, weil das "nicht-deutsch-sein" die Hauptvariabel dieser Gruppe ist. Ein nuancierter Umgang mit diesem Problem scheint für Politiker nicht möglich zu sein.

Otto Schily ist gewiss lernfähig. Er ist, wie er es selbst auszudrücken pflegt, SPD-Mann im zweiten Bildungsweg geworden. Eigentlich hat der gute Otto schon so manche Bildungswege hinter sich. Unlängst ist er bei der CDU angelangt, aber wer wußte schon, dass er sich vor/während seiner Station bei den Grünen auch mit der sozialen Dreigliederung identifizierte? In einem Nachwort zu Rudolf Steiners Buch "Kernpunkte der sozialen Frage" plädierte Schily im Anschluß an Steiner eindringlich für das freie Geistesleben, und ausdrücklich für "Multi-Kulti" und die Freiheit, seine Kultur zu pflegen und auszuleben: "Es müßte begreiflich werden, daß ein multi-ethnischer Staat nur Bestand haben kann, wenn die unterschiedlichen Kulturen mit ihren unterschiedlichen religiösen Traditionen sich unter seinem Dach eigenständig und frei organisieren können".

Aber heute, 8 Jahre danach, werden den größten Minderheiten in Deutschland die einfachsten Minderheitenrechte verwehrt, wie z.B. Schulen mit muttersprachlichem Unterricht - nicht weil sich Deutschland dies grundsätzlich verbietet (es gibt beispielsweise Schulen für die autochthonen Minderheiten und englische und französische Schulen), aber das Diktat der Integration/Assimilation verbietet dies. Und dabei würde gerade das produktive Schöpfen aus der geistigen Verwurzelung den Jugendlichen ausländischer Herkunft gut tun, die sonst in der deutschen staatlichen Kathechismusschule verblöden würden. Der Weg zum Erfolg durch Germanisierung ist wüst und bedeckt von geistigen Leichen.